Freitag, 1. Januar 2010

Zum neuen Jahr

Fast immer kommen Emails zu meinen Kolumnen, mal zustimmende, mal ablehnende, mal beleidigend dumme! Nun, immer noch besser letzteres, als wenn man ein Rufer in der Wüste wäre und die Kolumnen würden von gar niemandem gelesen. Das heißt nun nicht, daß ein Autor sich nach Beifall des Publikums sehnen solle, gar dem Volk nach dem Mund reden solle, also mich interessiert das Wohlwollen der Masse gleich gar nicht, ich schreibe wie mir zumute ist und nicht für steigende Leserzahlen, wenngleich es mich ein wenig freut, daß mein Blog seit langem sehr gut frequentiert wird.

Zum Jahreswechsel bringe ich Ihnen, werte Blogleser, ein paar Texte des von mir hochgeschätzten Sören Kierkegaard (1813 – 1855) die sich mit dem Verhältnis des Einzelnen mit der Masse beschäftigen. Wenngleich der Mensch ein Herdentier ist und die Menschengeschäftigkeit oft dem eines Bienenvolkes gleicht und die Masse gar oft über das Individuum gestellt wird, ja das Individuum gar meinte für die Masse sterben zu müssen, da denke man nur an den widerlichen Nationalismus, der Millionen Deutscher in zwei Weltkriegen das Leben gekostet hat und man denke an den Kollektivismus von entarteten angeblichen Sozialisten und Kommunisten, aber auch an die widerliche Deutschtümelei bei Fußballspielen und dergleichen wenn sonst normale Bürger deutsche Fahnen schwingen, ist der Mensch doch immer erst Individuum und nicht ein kleines Rädchen in einem Uhrwerk.
Das Leben zeigt es, jeder leidet - wenn er denn im Leben leidet – allein, und den Tod den muß jeder sowieso allein durchstehen, da nützen weder Vaterland, noch Familie oder Kirche: Jeder stirbt für sich allein!

Nun, die zwei, drei Emails (mehr waren es diesmal nicht) zu meiner Kolumne über den Besuch bei der Alt-Katholischen Gemeinde in Köthen die waren des Tenors, daß dies ja eine sehr kleine Gemeinde sei. Na ja, kann ich da nur sagen, die Gottesdienstbesucher in manch pompös großer evangelischer Kirche kann man oft auch nur an 10 Fingern abzählen und wenn man dann noch die vielen Opportunisten abzieht die nach der Wende in eine große Volkskirche eingetreten sind da dies Vorteile versprach, so wie es Vorteile bis 1989 brachte wenn man in der SED war, dann sieht es da auch nicht viel besser aus.

Im Ernst, natürlich gibt es kleine Kirchen und an Zahl winzig kleine Religionsgemeinschaften, aber sind diese weniger wert? Garantiert nicht, nicht umsonst heißt es „klein aber fein“. Mir sind die Worte des evangelischen Pfarrers von Dessau-Ziebigk, Bruno Schmitt, bei einer Zusammenkunft der Jungen Gemeinde zu tiefsten DDR-Zeiten noch im Ohr, als es um die immer weniger werdenden Christen ging, daß Gebete eines einzelnen Beters genauso viel Gewicht haben wie das gemeinsame Gebet in einem vollbesetzten Dom, ja diese sogar mehr Gewicht haben, der Einzelne ist wesentlich und nicht die Masse, da mag sie auch noch so beschönigend „Gemeinschaft“ heißen.
Ja und wie war es denn mit vielen Heiligen der alten Kirche? Waren da nicht viele Einsiedlermönche, Eremiten, darunter? Und war nicht gerade diese Einsamkeit entscheidend für deren große Religiosität? Es gibt genügend Beispiele, daß gerade die Gebete dieser Eremiten mehr erhört wurden als die der Masse welche in großen prunkvollen Kirchen beteten.


Ich wünsche allen Bloglesern ein gesundes, gesegnetes neues Jahr 2010!
Herzlichst
Ihr Bernd Nowack






Sören Kierkegaard:



Der Einzelne

Jeder Gottesruf ergeht an einen, an den Einzelnen; gerade darin liegt wieder die Anstrengung und Prüfung, dass der Gerufene allein stehen und allein seinen Weg gehen soll, - allein mit Gott.

Alles, was in großer Zahl auftritt, ist nicht von oben; meint es, irgendeinen Ruf vernommen zu haben, so kann man sicher sein, dass der Ruf von unten kam. Ein Paar sein wollen, ist nämlich Schelmerei, die der Anstrengung entgehen will, - der Geistesanstrengung, ein Geist zu sein, - sie will mit Hilfe der Zahl sinnlich wirken.

Denn Menge ist Unwahrheit

Es gibt eine Anschauung vom Leben, die meint, dort, wo Menge ist, sei auch Wahrheit; die Wahrheit selber besitze den Drang, die Menge für sich zu haben. Es gibt eine andere Anschauung vom Leben; sie meint, überall dort, wo Menge ist, sei Unwahrheit; selbst wenn, um die Sache für einen Moment aufs äußerste zuzuspitzen, alle Einzelnen, jeder für sich, in der Stille die Wahrheit hätten – es wäre doch, kämen sie in Menge zusammen (und zwar so, dass die ‚Menge’ irgendeine entscheidende, abstimmende, lärmende, laute Bedeutung erhielte), sofort die Unwahrheit zur Stelle.
Denn Menge ist Unwahrheit.

Die Mittelmäßigkeit

Untereinander sind die Einzelnen der Mittelmäßigkeit gewiß nicht unbescheiden, machen sich keiner Unverschämtheit schuldig, sie respektieren ja gegenseitig des andern Mittelmäßigkeit.

Aber diese sämtlichen Mittelmäßigen, die ganze Masse der Mittelmäßigen oder die Mittelmäßigkeit en masse ist eine Unverschämtheit gegen Gott, denn diese will sich aufwerfen, das Höchste zu sein, will das Ideal aufrichten. Wie man sich wechselseitig gegen Feuer versichert, so will die Mittelmäßigkeit die Einzelnen total sichern in der Mittelmäßigkeit, daß die Mittelmäßigkeit das Wahre ist.

Alleine sein

Der Maßstab für einen Menschen ist: wie lange und wieweit er es aushalten kann, alleine zu sein, ohne Verstehen mit anderen. Der Mensch, der es aushalten könnte, ein ganzes Leben alleine zu sein und in Entscheidungen der Ewigkeit, er ist der größte Abstand vom Säugling und vom Gesellschaftsmann, der die Tier-Bestimmung ist von dem, ein Mensch zu sein.


Individualität

Es gibt eigentlich nur eine einzige Qualität, das ist die Individualität. Hierum dreht sich alles, und daher kommt es auch, daß jeder von sich selbst qualitativ versteht, was er über andere quantitativ versteht. Dies macht die Individualität aus, aber nicht jeder Mensch will sie haben.

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