Mittwoch, 9. Juni 2010

Pastor Klops und das weiße Band

Pastor Klops

Das war Herr Klops, der sich beugete
Vor dem Herrn und dabei erzeugete
So viele Kinder wie ein Kaninchen
Mit seinem Ehegespons Wilhelminchen.
Er studierte die Theologie zu Kiel,
Und lernete dort gerade so viel,
Was für einen Gottesmann genügt,
Der die Fehler der Menschheit siehet und rügt
Und einmal die Woche als mahnende Stimme
Seinen Schleim abführt mit heiligem Grimme.
Doch außer dem Zweck und Ursprung der Sünden
Konnte er eigentlich nichts ergründen.
Was braucht auch der Mensch so viel zu wissen?
Als Pastor kann man es leicht vermissen.
Man ist vernagelt nach altem Brauch,
Wie viele Pastoren sonst eben auch.
Die Ehe aber gedieh mit Kindern;
Des Frommen Fleiß läßt sich nicht verhindern,
Denn dieser ist sich gar wohl bewußt,
Daß die schändlichen Werke der Fleischeslust
Im Stande der Ehe gelten als Pflicht,
Und keineswegs als Sünde nicht.
Aus diesen Gründen kam es davon,
Daß Klops erzeugte einen Sohn,
Der jetzt und wieder allda zu Kiel
Als Theologe nicht ganz soviel
Wie sein guter Vater erlernet hat.
Er folget dem Herrn als ein Kandidat
Und ist verlobt mit Müllers Christinchen,
Mit welcher er wieder wie ein Kaninchen
Getreulich sorget, auf daß die Klöpse
Sich weiterpflanzen als Kirchenschöpse.
Der alte Klops hat auch fünfzehn Töchter,
Durch deren Anblick der Trieb der Geschlechter
In der ganzen Gemeinde erstorben ist.
So wirkete er als Pfarrer und Christ.
(Ludwig Thoma)


Treffender und humoriger kann man einen Sachverhalt nicht benennen, wie es der berühmte Ludwig Thoma in obigem satirischen Gedicht tat. Nicht umsonst war Ludwig Thoma der Satiriker der wie kein zweiter die abendländische Scheinmoral auf´s Korn nahm. Die Schizophrenie, daß besonders Christen und deren Amtsträger Sexualität als etwas sündhaftes ansehen, selber diese aber meistens wie die Karnickel betreiben, dies ist schon mehr als absurd. Die römisch-katholische Amtskirche hält ja nach wie vor eisern an ihrer reaktionären unnatürlichen Sexualmoral fest, die jegliche Sexualität außerhalb der Ehe und zum Zwecke der Kinderzeugung zur Sünde erklärt. Daß dies nun gegen die von Gott geschaffene Natur ist, dies wird ignoriert. Hunderttausende, ja Millionen junger Menschen wurden und werden durch diesen Sündenbegriff in ihrer natürlichen Entwicklung schwer geschädigt, da natürliche sexuelle Reife und Sexualität ausleben können viele Jahre auseinanderfallen. Der eigentliche und viel schwerer wirkende sexuelle Mißbrauch der durch kirchliche Amtsträger ausgeübt wurde, sind nicht die eben nicht massenhaft vorkommenden Übergriffe einiger Priester, sondern war und ist die massenhaft vorkommende Unterdrückung der Sexualität durch das Erzeugen von Schuldgefühlen bei den Gläubigen, wenn sie sich nicht der unnatürlichen Sexualmoral der Kirchen fügen. So ist es noch nicht allzu lang her, daß sogar Onanie als schwere Sünde angesehen wurde und besonders in kirchlichen Heimen und Internaten wurden Kinder und Jugendliche schwer bestraft wo man diese entdeckte. Ein Wahnsinn ohnegleichen, da unterdrückter Sexualtrieb nicht nur psychische Schäden bewirkt, sondern bei männlicher Sexualverhinderung die Prostata so schädigt, daß diese Menschen später 6 mal häufiger an Prostatakrebs erkranken als diejenigen bei denen Sexualität nicht unterdrückt wurde. Dies ist wissenschaftlich unstrittig, trotzdem gibt es noch heute „christliche“ Moralapostel, die man wohl eher als Unmoralapostel titulieren sollte, die völlige Enthaltsamkeit als einzig christlich ansehen. Enthaltsamkeit wird von diesen „Christen“ allerdings nur bis zum „heiligen“ Stand der Ehe gefordert, dann aber das ganze Gegenteil erwartet, nun fällt man von einem Extrem ins Andere, Sexualität ist geradezu „heilige“ Ehepflicht und wenn dann ein reicher Kindersegen von dieser regen Sexualarbeit kündet, dann ist man des Lobes voll. Was nun diese Sexualfeindlichkeit außerhalb einer Ehe anlangt, da sind sich reaktionäre römisch-katholische Moralapostel und evangelikale fundamentalistische Christen (besonders in den USA) ziemlich einig, wobei letztere durch ihre puritanische Grundeinstellung oft noch rigoroser vorgehen. Besonders in den USA nahm diese Sexualfeindlichkeit außerhalb der Ehe paranoide Züge an und hält unvermindert an, ja nimmt in den letzten Jahrzehnten noch zu. Es wurden wahre Folterapparate erfunden (in den USA um 1900 herum jedes Jahr ein Dutzend Patentanmeldungen) die Onanie bei Jungen und jungen Männern vor der Ehe unmöglich machen sollten. Diese Apparate wurden meistens zwangsweise angelegt und sie verhinderten unter Schmerzen jegliche Erektionen, dies alles im Namen der Bibel und eines entarteten Christentums. Daß es im deutschen Protestantismus nicht viel besser bestellt war, dies machte der Film „Das weiße Band“, den ich nur zu schauen empfehlen kann, mehr als deutlich. Daß nun meistens diejenigen, die von Kindern und Jugendlichen, die ihnen zur Erziehung anvertraut sind, unnatürliche Sittenstrenge verlangen, selbst oft ein ausschweifendes Sexualleben führen, dies weiß nun mittlerweile ein jeder. Sie predigen anderen Wasser und saufen selbst Wein! Hier einige dieser patentierten Onanie-Verhinderungsgeräte:



„Das weiße Band“: aus der Rezension von Christian Buß in Spiegel-online vom 9.10.2009:
„Triebverzicht und Triebabfuhr in ihrer drastischsten Form

Unter leisen Tränen bricht sich der Hass Bahn. So beim Pastorensohn, der des Nachts vom Alten mit den Händen straff am Bettgestell festgebunden wird, weil er sich "an den feinsten Nerven seines Körpers geschadet hat", dort, "wo auch Gottes Gebot heilige Schranken errichtet hat".

Während also Onanie ein Verbrechen ist, hat sich die Frau auf Geheiß des Mannes gehorsam zu bücken, wann immer dieser es verlangt. Der Geschlechtsakt ist die vielleicht schrecklichste Szene in Michael Hanekes Film. Er wird zu einer Art libidinöser Notdurft, die alle Beteiligten mit einem gehörigen Maß an Ekel verrichten: "Ich würde mich am liebsten übergeben", sagt der Arzt, nachdem er die Hebamme mal wieder vor der mittäglichen Nahrungsaufnahme auf die Anrichte gedrückt hat. "Ich hätte auch eine Kuh bespringen können."
Triebverzicht und Triebabfuhr in ihrer jeweils drastischsten Form scheint das Leben in diesem Soziotop zu strukturieren. Wie gedeiht, wer hier geboren wird? Eben gar nicht.“
Die gesamte Rezension, siehe: http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,654825,00.html


Szenenfoto aus „Das weiße Band“, jetzt auch als DVD erhältlich.

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