Freitag, 20. Dezember 2013

Postkarten um 1900: Weihnachtskitsch (Teil 1)

Wie jedes Jahr weihnachtet es fast den ganzen Dezember lang übel. Da fiebert der Großteil der Deutschen einem Fest entgegen und weiß gar nicht weswegen gerade dieses Fest so emotionsgeladen ist. Damit meine ich natürlich nicht die Minderheit derjenigen die an den Weihnachtstagen der Geburt des Jesus von Nazareth gedenken und dies festlich begehen oder diejenigen die den alten Brauch der Wintersonnenwende als Lichtfest feiern, sondern alle die, welche dieses Fest sinnentleert feiern.

Wer nun meint, dies wäre erst in neuerer Zeit so, der irrt, denn wenn ich mir die Postkartenproduktion um 1900 anschaue, dann wimmelt es da nur so von Weihnachtsbäumen, dem Weihnachtsmann und natürlich alles mit viel, viel Kitsch und künstlicher Sentimentalität. Alles also nicht viel anders als 100 Jahre später, in unserer Zeit. Allerdings waren die Gabentische auch bei der Bourgeoisie noch nicht so voll wie heute, siehe die drittvorletzte Postkarte, wo neben ein paar Äpfeln, ein paar Nüssen, eine Wurst, eine Ölsardinenbüchse, eine Fischbüchse, ein Konfitürenglas und ein Kuchen auf dem Gabentisch liegen. Arme Leute hatten solchen Luxus damals natürlich noch nicht mal zu Weihnachten, die konnten sich meistens nur an so einer Postkarte erfreuen.

Wie überhaupt immer wieder bei derlei Kitschkarten gesagt werden muß, daß dort die Realität fast immer ausgespart wurde. Motive eines Heinrich Zille wird man auf den Postkarten um 1900 nicht finden, die wollte das Bürgertum nicht sehen. Aber auch jetzt wie damals, das verkommene Bürgertum und das spießige Kleinbürgertum will von der Armut einer großen Masse der Menschen nichts sehen und nichts hören. Das ist verständlich, denn würden sie sich damit beschäftigen, dann würden sie erkennen, daß ihr Wohlergehen an der Armut der anderen Schuld ist, daß sie es sind, durch die, die Klassengesellschaft so ungerecht weiter besteht, ja wo sogar seit etlichen Jahren, die Schere zwischen arm und reich sich immer weiter öffnet. Heuchlerische Sentimentalität zu Weihnachten, mit Spenden und Almosen vom Tisch der Ausbeuter für die Ausgebeuteten, die verkleistern nur den Blick auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge, aber das ist von der Bourgeoisie so gewollt.

Übrigens, die letzten beiden Postkarten um 1900 sind aus den USA, Empfänger war ein Herr Wilhelm Pinkel aus Dessau, Mariannenstraße 18.









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