Samstag, 26. Juli 2014

Georg Trakl: Ich wünsche jedem Deutschen das Beil des Henkers

 
Um die Jahrtausendwende 1999/2000 arbeitete ich bekanntlich einige Jahre im „Atelier für aktive Kunst im k.i.e.z.“ im Dessauer „Kulturellen Informations- und Einwohnerzentrum“ (k.i.e.z.) siehe: http://barrynoa.blogspot.de/2008/03/bn-und-sein-atelier-im-kiez.html.

Zu dieser kalendarischen Zeitenwende fabrizierte ich, neben meinen anderen künstlerischen Arbeiten, Flugblätter, die ich neben einer Ausstellung im k.i.e.z. auch wirklich als „Flug"blätter nutzte, so z.B. beim Dessauer Nordfest, wo ich diese an Luftballons durch die Luft schweben ließ oder einfach nur so aufs „Volk“ regnen ließ - eine typische Kunst-Aktion mit Happening-Charakter, siehe Fotos. Unter den 100 Flugblättern waren etliche bei denen es um Tierrechte ging z.B. das Flugblatt „40 Millionen Käfig-Hühner“ oder das Blatt mit dem Morgenstern-Ausspruch und dem Kalb, siehe unterer Scan.



Das Flugblatt mit dem Trakl-Ausspruch, welches ich oben eingescannt habe, ist auch ein Tierrechte-Flugblatt, allerdings auf den ersten Blick nicht als solches erkenntlich. Es provozierte damals etliche Bürger, die als Deutsche sich angegriffen fühlten. Die allerdings kannten den Dichter Georg Trakl nicht (http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Trakl), von dem der Spruch stammt. In den 1970er Jahren kaufte und las ich viel Gedichte. Ein kleines Gedichtbändchen aus dem Reclam-Verlag, welches 1975 erschien, gehörten dazu siehe Scan:


Stephan Hermlin schrieb das Nachwort und da fielen mir folgende Sätze auf, Zitat: „Trakls Haß auf seine Zeit, auf die Städte Wien und Innsbruck, auf die Leiden der Armen, auf die Schmach einer Operettenkultur und auf die Jagd nach Geld, formuliert sich nicht im Gedicht, er wird von den Freunden bezeugt. Einer erzählt, wie Trakl mit starrem Gesicht eines Tages gesagt habe: „Ich wünsche jedem Deutschen das Beil des Henkers.“ Was Trakl meinte, sagt eine andere Episode mit anderen Worten. Da trug man bei einer Dorfkirmes hinter der Blasmusik einen geschmückten Kalbskopf an ihm vorbei, der als Preis beim Wettschiessen ausgesetzt war. Trakl, so sagt der Zeuge, habe an allen Gliedern zu zittern begonnen und gesagt: „Das ist unser Herr Jesus Christus“.

Trakl also als Tierrechtler, der sich gegen Speziesismus des Christentums verwahrt und wahrscheinlich das Jesus-Wort im Kopf hatte: Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25.40). Das Kalb als Mitgeschöpf und brutal und achtlos behandelt von den deutschen grobschlächtigen Bauern, sieht er als den „geringsten der Brüder an“, und folgerichtig, das was diesem Kalb angetan wurde, das wurde nach Trakls Meinung Jesus angetan. Daraus folgert dann wiederum, daß wenn allen Kälbern die Deutschen das Beil des Schlachters wünschen, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne Skrupel oder Mitleid zu empfinden, warum sollte man diesen Unbarmherzigen, nach Trakls Meinung, nicht ebenfalls das Beil des Henkers wünschen?

Trakl war eben ein sensibler Künstler und ein avantgardistischer dazu, seiner Zeit weit voraus. Derartige Aussprüche waren damals äußerst provokativ und nicht verstanden, da nicht gebräuchlich. In der modernen Kunst, spätestens seit Joseph Beuys und Otto Mühl, sind derartige Äußerungen eines Künstlers nichts ungewöhnliches mehr, allerdings nun zur Kunstmarkt-Massenware verkommen und noch so provokante Äußerungen regen kaum mehr jemanden auf, aber leider bewirken sie auch kaum mehr etwas in der Denkweise der Bürger, was ja das eigentliche Ziel solcher Provo-Kunst ist, denn Kunst nur der Kunst wegen, ist sinnlos, nur Kunst die gesellschaftlich etwas verändern will, die hat eine echte Daseinsberechtigung.








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