Freitag, 1. August 2014

Höhere Preise für Landwirte = weniger Tierleid ?

Auschwitz beginnt da, wo einer im Schlachthaus steht und denkt: „Es sind ja nur Tiere“.
(Theodor W. Adorno (1903-1969), deutscher Philosoph)

 
Es wird derzeit mächtig diskutiert, ob die billigen Tierprodukte in den Supermärkten - also Fleisch, Wurst, Milchprodukte, Eier - die Hauptschuld daran tragen, daß Millionen von Tieren in Deutschland so leiden müssen, da die Bauern den Preisdruck nur über absolute Ausbeutung der Tiere und des damit verbundenen Tierleids ausgleichen können. Würden sie mehr Geld bekommen, dann würden sie die Tiere nicht so schlimm halten?
 
Wahrscheinlich ist das ein Trugschluß, wie neulich ein Bekannter von mir gut argumentierte. Dieser ist über 80 Jahre alt, hatte die schlechten Jahre nach dem Krieg als Vertriebener aus den deutschen Ostgebieten hier als Kind in unserem Gebiet erlebt. Er meint, Bauern bekamen nie den Hals voll, beuteten ihre Nutztiere schon damals immer bis auf´s letzte aus, ohne Mitleid und dies auch ohne Massentierhaltung.
 
Er war mit seiner Mutter und seinen Geschwistern 1945 bei einem Bauern einquartiert worden. Zwangsweise deshalb, weil freiwillig die Bauern keinen Flüchtling aufnahmen, auch wenn sie noch so viel Wohnraum hatten. Soviel zur Solidarität unter den Deutschen, die gleich null ist, dies ganz im Gegensatz zu vielen anderen Völkern, die ihre eigenen Landsleute nicht im Stich lassen, und wenn sie noch so wenig haben. Er bekam dort mit, wie der Bauer seine Tiere ausnutzte, nur auf seinen eigenen Nutzen aus war. Ob es den Tieren gut ging, das scherte ihn nicht, nur so weit, daß er Nutzen aus ihnen ziehen konnte.
 
Gerade nach 1945 schwammen die Bauern im Geld. Verkauften sie noch nebenher was, dann wurden sie richtig reich. Es gab das geflügelte Wort vom Bauern mit dem Perserteppich im Kuhstall. Das war nicht übertrieben, denn die hungernden Städter tauschten ihre letzten verbliebenen Kostbarkeiten für ein paar Eier und ein wenig Mehl oder Schinken bei Bauern ein. Der Gewinn war ein extrem hoher. Tierprodukte brachten besonders viel ein. Wurden die Tiere deshalb von den Bauern tierfreundlicher gehalten? Mein Bekannter verneinte das. Er hatte das tatsächlich mitbekommen.
 
Auch er und seine Geschwister bekamen nichts von der Bauernfamilie, mußten hungern. Ganz im Gegenteil, sie wurden als lästige Eindringlinge angesehen. Jeden Tag mußte er mit ansehen, wie mehrmals am Tag Städter bei der Bauersfrau vorsprachen um zu „tauschen“. Für Goldringe, Stoffe, Tabak, da hatte sie immer Lebensmittel zum Tauschen, für die arme Flüchtlingsfamilie in ihrem Haus, da hatte sie nichts. Sogar von den runter gefallenen Äpfeln des Apfelbaumes auf dem Hof durften sie nichts aufheben. Mein Bekannter erzählte mir, wie neidisch er auf die Tochter des Bauern war. Mit der ging er in eine Klasse. Jeden Tag hatte sie in ihrem Brotbeutel zwei Stullen mit dick Butter drauf und öfter auch mit Schinken, er selbst hatte nie Frühstück mit in die Schule bekommen, dafür reichte es nicht.
 
Er, der nichts von den Tieren des Bauern hatte, streichelte des öfteren die zwei Pferde des Bauern, weil sie ihm leid taten, denn sie mußten von früh bis spät schwer arbeiten. Sogar an Tagen wo der Bauer sie nicht ausnutzen konnte, da verlieh er sie gegen dementsprechendes Entgelt an Kleinbauern, die keine Pferde hatten. Noch heute sieht er diesen Bauern vor sich, wie er mit den Pferden umsprang, ihnen andauernd nur die Peitsche gab.
 
Auch früher: Ausbeutung und Schinderei von Nutztieren, typisch der Bauer mit der Peitsche
 
Nur höhere Preise, so er, die nützen gar nichts, wenn ein großer Massentierhalter, jetzt vielleicht im Jahr 100.000 Euro verdient, die Preise anziehen würden, er mehr bekommen würde, dann würde er das nicht an seine Tiere durch mehr bessere Haltung weiter geben, sondern er würde dann eben 140.000 Euro verdienen und für sich verbrauchen, die Tiere aber weiterhin so ausbeuten wie bisher. Was allein den Tieren helfen würde, das wären schärfere Gesetze der Haltungsbedingungen und deren strikte Kontrolle. Bodenhaltung bei Hühner gehören ganz verboten und enge Boxen bei Schweinen und Rindern ebenfalls, usw. Ein höherer Preis, den die Landwirte kassieren würden, der würde den Tieren nichts bringen.
 
„Geh mir bloß ab mit Landwirten!“ - so mein Bekannter. Von Mitte 1945 bis Anfang 1947 wohnte er dort bei diesen Typen und er hatte nur schlechte Erfahrungen, wie auch alle anderen Flüchtlinge die in diesem Dorf dort bei Bauern einquartiert waren. Nicht viel besser erging es früher den Knechten und Mägden und den Erntehelfern bei den Bauern, die wurden auch nur ausgebeutet, kamen kaum über die Runden und die Bauern wurden immer reicher. Das allerdings wußte ich schon selber, meine Mutter hatte mir oft genug von der Ausbeutung von Kindern auf den Gutsbesitzer-Landwirtschaften berichtet wie auf dem Gut Priorau bei Dessau, wo die ärmeren Kinder der Umgebung für einen Hungerlohn nach der Schule und in den Ferien auf den Feldern schufteten, oft von Aufsehern mit der Peitsche angetrieben, diese teilweise bei größter Hitze, siehe dazu auch: http://barrynoa.blogspot.de/2008/07/die-trostlose-kindheit-meiner-mutter_23.html.
 
Die Tochter des Gutsbesitzers sahen die schuftenden Kinder nur selten mal, dann auf ihrem Pferd hochnäsig vorbei reitend. Der Gutsbesitzer selber arbeitete auch nicht, dafür hatte er einen Verwalter eingesetzt. Auf Kosten der ausgebeuteten Nutztiere und der ausgebeuteten billigen Arbeitskräfte (neben den einheimischen Kindern auch Erntearbeiter aus Polen) konnte er ein luxuriöses Leben führen. Eine mehr als lobenswerte humanistische Sache war, daß im Osten die größten Ausbeuter enteignet wurden, all die Gutsbesitzer, Junker und Großbauern, siehe die Bodenreform, das muß man der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED zugute halten. 
 
 
Speziesismus beschreibt die Ausbeutung der Tiere durch den Menschen, begründet allein auf deren Andersartigkeit. Hierbei wird aber die eigene homogene Gruppe des Menschen zuerst mit Attributen aufgewertet, um sich gegen die sogenannte „andere“ Gruppe, mit deren negativ besetzten Eigenschaften, abzugrenzen, ein Herrschaftsverhältnis aufzubauen und Ausbeutung zu legitimieren. Dieser Prozess, als „Othering“ bezeichnet, ist nicht nur beim Mensch-Tier-Verhältnis zu finden, sondern bei allen vorherrschenden Unterdrückungsmechanismen.

 

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