Samstag, 9. Mai 2015

Die vegetarische Bewegung vor 100 Jahren war eine Massenbewegung

Fleischesser-Vegetarier, Vignette von Fidus in der "Jugend" Nr. 28 von 1897

Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich mit Vegetariern und Veganern heutzutage spreche oder in deren Foren schaue, wie ungebildet sie doch sind, nichts davon wissen, daß die Vegetarier/Veganer-Bewegung weit über 100 Jahre alt ist und zumindestens in der Zeit zwischen 1900 und 1930 viel mehr in der Bevölkerung verankert war als heutzutage. Sie war damals eine Massenbewegung, was sie heute nicht mehr ist. Wer also meint, es ginge vorwärts mit dieser Bewegung, der ist auf dem Holzweg. Erstaunlich auch, daß fast alle Vegetarier/Veganer die ich kenne, aus Familien stammen, wo es früher keine vegetarische Küche gab oder deren Vorfahren, Großeltern, Urgroßeltern nicht in den verschiedensten Vereinen und Logen organisiert waren, die der damaligen Reformbewegung zugehörten und die es in der jeder kleinen Stadt gab. 

Reformbewegung hieß es damals und es drehte sich nicht nur um die Nahrung, sondern um die Propagierung einer neuen Lebensweise, welche die antiautoritäre Erziehung genau so umfaßte, wie eine neue Sexualmoral und natürlich die Nacktbewegung. Meine Familie war eng der Reformbewegung verbunden, dazu diese Blogbeiträge: 

http://barrynoa.blogspot.de/2009/02/das-reformhaus-und-bn.html
http://barrynoa.blogspot.de/2011/02/reformhaus-nostalgie.html
http://barrynoa.blogspot.de/2013/10/schon-vor-100-jahren-vegetarisch-und.html

Diverse vegetarische Kochbücher aus dieser Zeit befinden sich noch in meinem Besitz, wie eben das im letzten Link eingescannte und dieses hier:



Natürlich fehlt auch nicht Richard Ungewitters Anleitungsbuch zur Nacktkultur aus dem Jahre 1908, siehe Scan: 



Ungewitter war der eigentliche Begründer der Nacktkultur innerhalb der Lebensreformbewegung. Zusammen mit Heinrich Pudor gründete er 1910 die „Loge für aufsteigendes Leben“ und die FKK-Anhänger waren damals selbstverständlich Vegetarier. Nacktkultur und Vegetarismus gehörten in der Reformbewegung um 1900 untrennbar zusammen und sowohl Nacktheit wie auch vegetarische Lebensweise wurden in der von Karl Vanselow gegründeten populären Zeitschrift „Die Schönheit“ propagiert, die in breiten Schichten des deutschen Volkes gelesen wurde. Damals an jedem Kiosk erhältlich, gilt etliches davon heute als strafbare Pornografie. 

1893 wurde in Berlin das erste vegetarische Restaurant eröffnet. „Ceres“ hieß dieses Restaurant, nach der römischen Göttin des Ackerbaus. Initiator war die vegetarische Obstbau-Kolonie Eden bei Oranienburg.

Die damalige Vegetarier-und Nacktbewegung wurde besonders durch den Künstler Fidus (http://de.wikipedia.org/wiki/Fidus) propagiert, so stammte z.B. die Werbung für das Ceres-Restaurant von ihm, siehe:



Ein weiteres vegetarisches Restaurant folgte nach dem in Berlin, es war das Restaurant „Ethos“ in München, siehe diese alte Werbemarke:



Fidus war der künstlerische Guru der Vegetarier, Nudisten und Lebensreformer damals und auch verschiedene Weltanschauungsvereine und Logen, wie z.B. der Gottesbund Loge Tanatra, bedienten sich seiner Kunstwerke, wie „Lichtgebet“ und „Empor zum Licht“, siehe: 




Die meisten heutigen Vegetarier/Veganer und Tierrechtler, die zum Teil die anderen Teile der Lebensreformbewegung ablehnen, wie die antiautoritäre Erziehung, die Freikörperkultur, die revolutionären sozialen und gesellschaftlichen Bewegungen, sind einspurig und auf einem Irrweg, der immer mehr weg zu den einstigen Idealen der Zeit von vor 100 Jahren führt.

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