Montag, 11. Januar 2016

Der frühe Antispeziesist: Robert Louis Stevenson (1850-1894)

Du denkst, Tiere kommen nicht in den Himmel? Ich sage dir, sie werden früher dort sein als irgend einer von uns.
Robert Louis Stevenson





An wen und was denken Sie sofort, liebe Blogleser, wenn Sie sich diese alte Rum-Werbung ansehen? Natürlich sofort an Stevensons „Schatzinsel“ und an "Long John Silver" mit seinem Papagei! Den soll wohl auch diese Reklame darstellen und, daß Rum bei dessen Piraten hoch im Kurs stand, das weiß ein jeder der die „Schatzinsel“ gelesen hat:
„Fünfzehn Mann auf des toten Mannes Kiste.
Yo-ho-ho und ’ne Buddel voll Rum!“
.


So gut wie jeder kennt Stevensons „Schatzinsel“, „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ oder „Das Flaschenteufelchen“, aber, daß Stevenson (1850-1894) auch ein großartiger Essayist war, dessen Essays noch heute brandaktuell sind, dies ist weniger bekannt. „Essay über den Müßiggang und ein falsches Arbeitsethos“ ist so ein Essay, hier im Blog zu lesen: http://barrynoa.blogspot.de/2011/04/robert-louis-stevenson-1850-1894-essay.html.

Wußten Sie aber auch, daß man Stevenson als einen der ersten Antispeziesisten bezeichnen kann? Etliche seiner Texte deuten in diese Richtung, das zu einer Zeit, vor 1900 (!), wo man in Tieren allgemein minderwertigere Wesen sah und im Menschen die Krone der Schöpfung sah. Sowohl die Religiösen, wie auch die Atheisten hatten diese Einstellung. Eine Vorreiterrolle für den Antispeziesismus einnehmend, ist der nachfolgende Text von Robert Louis Stevenson und absolut lesenswert. Erschreckend, daß Stevenson schon vor 1900 so klar sah und wir im Jahre 2016 noch immer unter uns so viele irrationale Reaktionäre in allen politischen Lagern und Schichten des Volkes haben, die verblendet im Größenwahn dem Menschen eine herausragende Rolle unter den Lebewesen auf der Erde andichten.




Der Text ist Stevensons 1896 erstmals erschienenen Reiseberichten "In der Südsee" entnommen:


Nichts erregt heftiger unsern Abscheu als der Kannibalismus, nichts erschüttert mit größerer Sicherheit die menschliche Gesellschaft, nichts, so könnten wir schließen, muß die Gemüter derjenigen, die ihm anhängen, so sehr verhärten und entwürdigen. Und doch machen wir auf Buddhisten und Vegetarier einen ganz ähnlichen Eindruck. Wir verzehren die Leiber von Geschöpfen, die uns verwandte Neigungen, Leidenschaften und Organe haben, wir essen Junge, wenn auch nicht unsere eigenen, und der Schlachthof hallt täglich wider von Schreien der Qual und Furcht.

Wir machen Unterschiede, das ist wahr, aber die Abneigung vieler Nationen gegen das Fleisch von Hunden, Tieren also, mit denen wir aufs innigste zusammenleben, zeigt, wie fragwürdig die Unterscheidungen begründet sind.

Das Schwein ist die Hauptnahrung der Eingeborenen auf den Inseln, und ich hatte oft Gelegenheit, da meine Phantasie durch die Kannibalenumgebung angeregt war, den Charakter dieses Tieres und die Art seines Todes zu beobachten. Viele Insulaner leben mit den Schweinen wie wir mit unseren Hunden; beide bewegen sich in gleicher Freiheit in der Nähe des häuslichen Herdes, und das Inselschwein ist ein Kerl voll Lebendigkeit, Unternehmungslust und Klugheit. Es schält seine Kokosnüsse selbst und rollt sie, wie man mir erzählte, in die Sonne, damit sie platzen; es ist der Schrecken der Schafhirten! Die alte Frau Stevenson beobachtete, wie eines in die Wälder flüchtete mit einem Lamm in der Schnauze, und ich sah, wie eines plötzlich zu der Überzeugung kam, die »Casco« ginge unter; es schwamm durch die Sturzwellen zur Reeling, um sich zu retten. Man erzählte mir in der Jugendzeit, daß Schweine nicht schwimmen können; ich habe eines gekannt, das über Bord sprang, vierhundert Meter schwamm bis zur Küste und zum Hause des früheren Besitzers zurückkehrte.

Ich hatte einst, in Tautira, eine Schweinezüchterei von ziemlichem Ausmaß; zunächst herrschte in meinem Stall äußerste Zutraulichkeit; eine junge Sau mit Leibschmerzen kam herbei und flehte wie ein Kind um Hilfe; und ein stattlicher schwarzer Eber, den wir Catholicus nannten, weil er ein Sondergeschenk der Katholiken des Dorfes war, zeigte sehr bald Mut und Freundschaftlichkeit. Kein anderes Tier, weder Hund noch Schwein, durfte sich ihm nähern, wenn er fraß, und für menschliche Wesen bewies er das höchste Maß jener untertänigen Zuneigung, die den niederen Tieren eigen ist. Eines Tages sah ich beim Besuch der Schweineställe zu meinem Erstaunen, daß Catholicus sich mit Schreckensschreien vor jeder Annäherung zurückzog, und wenn ich über diese Veränderung verwundert war, so erschrak ich tatsächlich, als ich die Ursache erfuhr. Eines der Schweine war an jenem Morgen geschlachtet worden, Catholicus hatte den Mord beobachtet, er hatte entdeckt, daß er zwischen Schlachtbänken lebte, und von dieser Zeit waren Vertrauen und Lebenslust dahin. Wir verschonten ihn noch eine ganze Weile, aber er konnte den Anblick zweibeiniger Wesen nicht mehr ertragen, und wir unsererseits konnten unter diesen Umständen nicht ohne Verwirrung seinen Blicken begegnen. Ich habe übrigens dem Akt des Schlachtens in Hörweite beigewohnt; ich glaube, ich hätte vielleicht die Schmerzensschreie des Opfers ertragen, aber die Hinrichtung ging nicht glatt vonstatten, und der Ausdruck seines Entsetzens wirkte ansteckend: dies kleine Herz schlug nach derselben Melodie wie das unsere.

Auf solchen »Fundamenten des Schreckens« ruht das Leben des Europäers, und doch gehört der Europäer zu den weniger grausamen Rassen. Die Schreckenskammer des Mordes, die brutale Zurichtung der Nahrung wird den Blicken verborgen; äußerste Empfindlichkeit herrscht an der Oberfläche, und Damen fallen in Ohnmacht, wenn man ihnen einen Bruchteil dessen schildert, was sie von ihren Metzgern täglich verlangen. Menschen werden sich in ihrem Innersten auch gegen mich empören wegen der Rohheit meiner Worte. 


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